Bürgermeister Domenico „Mimmo“ Lucano darf wieder nach Riace

Kassationsgericht hebt Vorwürfe gegen Bürgermeister der als „Dorf des Willkommens“ bekannten Gemeinde auf: Lucano handelte aus Liebe

Rom/Riace. Der mit Friedenspreisen ausgezeichnete integrationsfreundliche Bürgermeister Domenico Lucano, liebevoll „Mimmo“ genannt, der vergangenes Jahr zunächst unter Hausarrest gestellt, und später wegen Verdachts auf Untreue und Anbahnung illegaler Ehen zwischen Migranten und Italienern verhaftet und aus seiner Gemeinde Riace verbannt wurde, darf nach einem Urteil des römischen Kassationsgerichts vom 2. April 2019 nach Riace zurückkehren. Der kleine Ort an der Küste Kalabriens wurde international bekannt, weil die ausgestorbene Gemeinde mit Lucano als Bürgermeister Migranten in leerstehenden Gebäuden ansiedelte und das Dorf wiederbelebte, im Oktober 2018 wurde Lucano dann verhaftet und aus Riace verbannt. Das Höchstgericht in Rom hält die erhobenen Vorwürfe gegen Lucano, sowohl im Zusammenhang der Vergabe von Aufträgen an eine soziale Kooperative für ungerechtfertigt und kann auch keine Beweise für andere unrechtmäßigen Amtshandlungen des Bürgermeisters finden. Auch die Anbahnung von Ehen, um Migranten einen italienischen Pass zu besorgen, kann Lucano nur in einem Fall angelastet werden- er setzte nämlich alles daran, dass seine eigene Lebensgefährtin in Riace bleiben durfte und handelte demnach, so begründet das Gericht, aus Liebe.

Domenico Lucano ist seit 2004 Bürgermeister des 1800 Einwohner zählenden Dorfes Riace an der Küste Kalabriens. Der kleine Ort ist, wie viele andere in strukturschwachen Gebieten Süditaliens, von hoher Arbeitslosigkeit und Abwanderung betroffen. Die Einwohnerzahl Riaces sank bis 1998 von 3000 auf 800, das Dorf war zum Großteil verlassen.

Als dann 1998 ein Boot mit 218 kurdischen Flüchtlingen in Riace landete, gründete der Dorflehrer Domenico Lucano gemeinsam mit anderen Einwohnern Riaces den Verein „Città Futura“ (dt. „Stadt der Zukunft“). Seither hat es sich der Verein zur Aufgabe gemacht, die angekommenen Migranten in Riace anzusiedeln, ihnen Arbeit und Perspektive zu geben. Hierfür standen ausreichend unbewohnte Gebäude zur Verfügung, durch die Integration der Flüchtlinge, die kleine Geschäfte betrieben, wurde der Ort wiederbelebt. Das Projekt verlief seither erfolgreich, 2012 lebten 500 Immigranten in Riace, 2016 bereits 800. Nicht alle blieben, wie Lucano in einem Interview erklärte, doch viele bleiben und bearbeiten die verlassenen Olivenhaine und Weinberge oder haben eine Arbeit in einem der zur Belebung des örtlichen Handwerkes ins Leben gerufenen Projekte gefunden.

Für seine Willkommenskultur und positive Integrationspolitik wird Lucano zum Vorbild, von internationalen Medien wahrgenommen und gefeiert, Journalisten und Prominente wie der Filmemacher Wim Wenders besuchten das verlassene Dorf an der Küste Kalbriens. Riace gilt als Vorzeigeprojekt, Mimmo Lucano als Symbolfigur belegte 2010 in der „World Mayor Competition“ den zweiten Platz hinter Marcelo Ebrard, zu diesem Zeitpunkt Stadtoberhaupt von Mexico City mit geschätzten 9 Millionen Einwohnern.

„Riace, Dorf des Willkommens“ ist am Ortseingang zu lesen- und tatsächlich lebten in Riace phasenweise Menschen aus 40 Nationen im Multikulti-Idyll friedlich miteinander, der Ort erlebt einen wirtschaftlichen Aufschwung; die Schule konnte durch die neu angekommen Flüchtlingskinder erhalten werden; es wurden Geschäfte eröffnet und neue Arbeitsplätze geschaffen. Der Verein Città Futura hat inzwischen 70 Angestellte. Doch natürlich trägt sich das Projekt nicht ohne stattliche Finanzierung. Die 35 Euro pro Tag pro Person, die Innenminister Salvini auf 25 Euro kürzen möchte, die aus Rom kommen, ermöglichen eine monatliche Auszahlung der Grundsicherung von 250 Euro an die Flüchtlinge. Die Unterkünfte in Riace sind gratis und wurden in den vergangenen Jahren nach Bedarf renoviert.

Bis vergangenen Oktober sah es aus, als könne Riace, trotz der neuen rechtspopulistischen Regierung Italiens, weiter ein Ort der Hoffnung und des friedlichen Miteinanders bleiben. Dann stellte man Lucano unter Hausarrest, die zuständige Staatsanwalt erhoben schwere Vorwürfe gegen den Bürgermeister. Wenn auch die Ermittlungen bereits unter der vorherigen Regierung begannen, scheute Italiens aktueller Innenminister Salvini, bekannt für seine Migrationsfeindliche Einstellung, nicht, scharf gegen Lucano, dessen Projekt ihm von Anfang an ein Dorn im Auge war, zu schießen. Lucanos Verhaftung wurde höhnisch kommentiert. Nachdem der Bürgermeister Riace verlassen musste, organisierten die Behörden den Umzug der meisten Flüchtlinge. An mancher Stelle heißt es, sie hätten Riace verlassen. Korrekt wäre wohl eher, sie mussten.

Nach all den schlechten Nachrichten für Lucano, darf sich dieser nun freuen, denn Italiens oberstes Gericht in Rom hat ihn mit dem Urteil gestern von den meisten Vorwürfen freigesprochen, einige Verfahren sind noch anhängig. Das Gericht konnte weder Anhaltspunkte für die Begünstigung illegaler Migration, noch wegen Unregelmäßigkeiten im Umgang mit öffentlichen Geldern finden. Auch bei der Vergabe von öffentlichen Aufträgen, strittig die Vergabe der Müllabfuhr an die Genossenschaften L'Aquilone und Ecoriace, die den Müll in den steilen Gassen des Dörfchens mit Eseln einsammeln, liefen nach Einschätzung des Höchstgerichts korrekt ab. In der Urteilsbegründung wird sogar die Vergabe an eine soziale Kooperative als vom Gesetzgeber erwünschtes Vorgehen hervorgehoben.

Auch der Vorwurf der Begünstigung von Illegaler Einwanderung und der Anbahnung von Scheinehen gegen Lucano und seine Lebensgefährtin konnte vor Gericht nicht standhalten. Dass sich Domenico Lucano für den Verbleib seiner Freundin in Italien einsetzte, und dabei nicht gesetzeskonform vorging, wurde vom Gericht zwar festgestellt, dieses berücksichtigt in der Urteilsbegründung jedoch den “ "mildernden Faktor" affektiver Motivationen“: Domenico Lucano hat aus Liebe das Gesetz gebrochen.

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