Photochromdruck heißt die Technik, die in den Anfängen der Fotografie, vor der Erfindung des Farbfilms, Farbe ins Bild brachte. Im gerade im Taschen Verlag erschienen Bildband „Italien um 1900. Ein Portrait in Farbe“ sind hunderte solcher in der Zeit zwischen 1890 und 1910 entstanden Photochrome zusammengestellt und laden den Betrachter zu einer visuellen Zeitreise ein.
Die 1880 in der Schweiz patentierte Technik der Photochromdruck, der es ermöglichte, dem schwarz-weiß Negativ beim Druck Farbe hinzuzufügen, setzte sich aufgrund der hohen Qualität der Drucke schnell durch und war in seiner Blütezeit, die bis zum ersten Weltkrieg dauerte, wirtschaftlich sehr erfolgreich. Das lag vor allem an einem sich gerade entwickelnden Absatzmarkt, dem Tourismus. Im Tourismus ersetzten die vom Lithografen nachkolorierten Drucke schnell die Skizze oder Malerei, die so mancher frühe Italienreisende von seiner Fahrt über die Alpen mitbrachte.
Dem Betrachter von heute vermittelt allein die besondere Ästhetik der nachkolorierten Bilder den Zauber des Vergangenen. Das Buch zeigt Bilder einer spannende Zeit der Geschichte Italiens, das wenig industrialisiert in bäuerlicher Romantik dahin zu träumen scheint, während man eigentlich ganz kurz vor dem Übergang zur Moderne steht und bebildert die lange Tradition des Belpaese als Sehnsuchtsort vieler Nordeuropäer.
Die Bilder im 580 Seiten starken Werk, das unter Mitarbeit von Marc Walter, aus dessen weltgrößter Photochrom Sammlung ein Großteil der Abbildungen stammen, der Dokumentarin und Bildredakteurin Sabine Arqué und dem Architekturprofessor Giovanni Fanelli entstand, entführen den Betrachter in ein Italien in der Zeit des Fin de Siècle- einen Augenblick vor der Industrialisierung und zu den Ursprüngen des fotografischen Italienbildes.
Tourismus und Fotografie stecken zu dieser Zeit beide noch in den Kinderschuhen, doch sind, so zeigt das Buch ganz deutlich auf dem Vormarsch. Die Kunst der Lithografie wird von den Machern des Buches vor allem dadurch herausgestellt, dass sie Bilder des gleichen Motivs in verschiedenen Varianten nebeneinanderstellen. Die Intensität der Farbgebung und die Farbwahl beeinflussen die Bilder enorm und machen den Lithographen zum Künstler.
Italienreisen sind seit der Renaissance beliebt, der Tourismus ist um 1900 gerade dabei sich von der Grand Tour hin zum Massenerlebnis zu entwickeln. Die beliebtesten Reiserouten dieser Zeit führen zu den malerischen Seen im Norden, dem Gardasee oder dem Lago Maggiore und in die damals noch zur Österreichischen Monarchie gehörenden Gebiete wie Triest oder Südtirol. Aus den Bergen stammen einige spannende Gipfel- und Gletscheraufnahmen, malerisch anmutend. Als Vorläufer der heute an jeder Ecke erhältlichen Ansichtskarten, so handelt es sich bei den Bildern ja um die ersten in großer Auflage prodozierten Farbdrucke, zeigen die Bilder auch, was der Tourist um 1900 sehen oder besuchen wollte. Aus Gebiete im Norden um die Städte Mailand, Turin aber auch Genua, in denen die Industrialisierung Italiens zu dieser Zeit langsam einsetzte, gibt es keine Abbildungen, während etwa Venedig und Neapel umfangreich portraitiert und inszeniert wurden.
Die visuelle Reise in die Geschichte Italiens ist eine absolute Empfehlung für Italienliebhaber. Das umfangreiche Buch ist durchaus geeignet sich an langen Winterabenden in ein Italien vergangener Zeiten zu träumen und vermittelt durch seine gut strukturierten Begleittexte spannendes zur Geschichte Italiens als Sehnsuchtsort.
Italien um 1900. Ein Porträt in Farbe
Marc Walter, Sabine Arqué, Giovanni Fanelli
Hardcover, 29 x 39,5 cm, 580 Seiten
ISBN 978-3-8365-4199-2
Mehrsprachige Ausgabe: Deutsch, Englisch, Französisch
ISBN 978-3-8365-6837-1
Mehrsprachige Ausgabe: Englisch, Italienisch, Spanisch