Eine Forschungsarbeit des „Istituto Nazionale Malattie Infettive“ („Nationales Institut für Infektionskrankheiten”) und des IRCCS Casa Sollievo della Sofferenza eröffnet neue Möglichkeiten für die klinische Behandlung der Patienten

Die Infektion von Sars-Cov-2 verursacht Veränderungen der Darmflora und deren entsprechende Untersuchung durch eine hochmoderne Sequenzierung des menschlichen Genoms kann neue Möglichkeiten für die Diagnose und die Behandlung von Covid-19 sowie für die Schichtung der Patienten in Bezug auf das Risikoprofil schaffen. Dies sind die wichtigsten Ergebnisse die sich aus einer gemeinsamen Forschungsarbeit des „Istituto Nazionale Malattie Infettive“ „Lazzaro Spallanzani” von Rom und des IRCCS „Casa Sollievo della Sofferenza” von San Giovanni Rotondo (Foggia) ergeben und welche gerade von der Fachzeitschrift PLOS ONE veröffentlicht wurden.

Covid-19 ist bekanntlich eine Erkrankung der unteren Atemwege, wobei jedoch der verursachende Sars-Cov-2-Virus auch in anderen Körperteilen ermittelt wurde. Insbesondere wurde dieser Virus in rektalen Abstrichen festgestellt und dies zeigt, dass nicht nur die Lungen, sondern auch andere Organe angegriffen werden können, wie zum Beispiel der Darm. Im Übrigen ist der Rezeptor ACE2, also der Türöffner für das Eindringen des Virus in die menschlichen Zellen, in großer Anzahl auch in die Zellen des Magen-Darm-Traktes vorhanden.

Ein großer Anteil von Covid-19-Patienten hat außerdem auch gastrointestinale Symptome entwickelt und verschiedene frühere Forschungsarbeiten zeigten, dass Infektionen der Atemwege, unter welchen Covid-19, mit Veränderungen der Beschaffenheit des Darm-Mikrobioms verbunden sind. Das „Darm-Mikrobiom“ ist jene komplexe „Gemeinschaft“, bestehend hauptsächlich aus Bakterien aber auch Hefen, Parasiten und Viren, welche allgemein als „Darmflora“ bezeichnet wird und die wesentliche Funktion hat, die sogenannte „Eubiose“, also das Gleichgewicht des gesunden Darms zu gewährleisten. Neueste Forschungen zeigten die Existenz einer sogenannten „Darm-Lungen-Achse“: wenn die Immunzellen im Darm fremde Krankheitserreger feststellen, lässt das intestinale Mikrobiom mikrobielle Produkte und Immunomodulatoren aus, welche die Regelung der Lungen-Immunität unterstützen – und umgekehrt.

In Anbetracht dessen haben die Forscher des INMI und der Casa Sollievo della Sofferenza vermutet, dass die Sars-Cov-2-Lungenentzündung das intestinale Mikrobiom beeinflussen kann und dass diese Alterationen diagnostische Marker darstellen welche für die Schichtung der Patienten und der entsprechenden Risikoprofile bei schwerer Krankheit sehr hilfreich sein könnten.

Für diese Forschungsarbeit wurden von April bis Mai 2020 rektale Abstriche von 23 Patienten des INMI gesammelt. Die Patienten waren in den folgenden drei Gruppen aufgeteilt: neun stationäre Sars-Cov-2-positive Patienten (w-COVID19), sechs Sars-Cov-2-positive Patienten auf der Intensivstation (i-COVID19) und acht Patienten in stationärer Behandlung oder auf der Intensivstation bei denen jedoch der Sars-Cov-2-Test negativ ausgefallen war und die als Kontroll-Gruppe dienten. Die Befunde dieser Patienten wurden nun einer Genom-Sequenzierung der 16S-rRNA unterzogen, die es erlaubt, die verschiedenen Mikroorganismen des Mikrobioms viel schneller und effizienter als die traditionellen mikrobiologischen Techniken zu bestimmen.

Aus der Studie gehen erhebliche Unterschiede in der Zusammensetzung des Mikrobioms bei den drei Patientengruppen hervor. Gegenüber der Kontrollgruppe und den w-COVID19-Patienten, zeigten z.B. die i-COVID19-Patienten einen Rückgang des Chao1-Indexes (Index zur Bestimmung der mikrobischen Vielfalt). Bei w-COVID19-Patienten hingegen, wurde eine höhere Anzahl von Proteobacteria festgestellt, während i-COVID19-Patienten höhere Anzahlen an Familien von Staphylococcaceae, Microbacteriaceae, Micrococcaceae, Pseudonocardiaceae, Erysipelotrichales vorwiesen.

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„Unsere Forschungsarbeit ist nur ein erster Schritt eines neuen und vielversprechenden Forschungsbereiches, welcher durch breitere Patienten-Gruppen vertieft werden soll, wobei auch pauci-symptomatische und asymptomatische Patienten einzuschließen sind”, erklären Antonio Mazzarelli und Maria Letizia Giancola des INMI. „Klar ist allerdings, dass die Darmflora bei Covid-19-Patienten erhebliche Unterschiede aufweist, sowohl gegenüber Patienten die nicht an Covid erkrankt sind, als auch in Bezug auf den Schweregrad der Erkrankung. Dies ist ein sehr wichtiger Aspekt, welcher den Weg zu folgenden, vielversprechenden diagnostischen und klinischen Anwendungen ebnet.”

„Diese Daten können in naher Zukunft auch im therapeutischen Bereich neue Perspektiven eröffnen” fügt Valerio Pazienza, Biologe des Forschungslabors für Gastroenterologie des IRCCS Casa Sollievo della Sofferenza, hinzu. „Es ist somit eine für die heutzutage verfügbaren Behandlungen unterstützende therapeutische Option annehmbar, wobei die Integration von spezifischen probiotischen Gemischen (welche entsprechend ausgewählt sind um selektiv gegen die bei Covid-19-Patienten vermehrten schädlichen Mikroorganismen zu kämpfen) sowohl den Verlust der Vielfalt des intestinalen Mikrobioms mildern als auch den Krankheitsverlauf lindern soll. Dabei könnte man den SARS-CoV-2-positiven Patienten das eventuelle Risiko auf der Intensivstation zu landen vermeiden.“

Antonio Mazzarelli, Maria Letizia Giancola, Anna Farina, Luisa Marchioni, Martina Rueca, Cesare Ernesto Maria Gruber, Barbara Bartolini, Tommaso Ascoli Bartoli, Gaetano Maffongelli, Maria Rosaria Capobianchi, Giuseppe Ippolito, Antonino Di Caro, Emanuele Nicastri, Valerio Pazienza und die INMI-COVID-19-Studiengruppe.

fonte: operepadrepio.it