VERONA. Gestern ist in Verona die 120. Ausgabe der Fieracavalli zu Ende gegangen. Das internationale Pferdefestival hat sich in seinem Jubiläumsjahr wieder einmal selbst übertroffen. 160.000 Besucher verzeichnete die traditionsreiche Leistungsshow des Pferdesportes und der Pferdezucht in vier Tagen, die alljährlich Reitsportexperten, Züchter und Pferdefans aus aller Welt im Herbst nach Verona lockt. 200 Events, darunter auch Verona Jumping, ein Grand Prix Bewerb aus dem Welt Cup, zahlreiche Shows und Vorführungen und natürlich die 2.400 Pferde 60 verschiedener Rassen machen die Fieracavalli für jeden zu einem Erlebnis. Italien hat als Pferdeland einiges zu bieten, ein besonderes Highlight der Zuchtpferdeausstellung war die Tour durch Italiens Pferderassen, hier konnten Besucher die für die Regionen charakteristischen Pferderassen kennen lernen, von denen auch einige nur mehr selten vorkommen.
Pferdebegeisterung in Italien
Die Mischung aus Angeboten für das Fachpublikum, Pferdesportler und Pferdefans ist in Verona einmalig und begründet wohl auch die lange Tradition der Veranstaltung. Es ist kein Zufall, dass eine der größten Reiter- und Pferdemessen weltweit in Italien beheimatet ist. Pferdezucht und Pferdehaltung haben in Italien eine lange Tradition, alleine die Messe findet seit 120 Jahren statt. Einer Umfrage zufolge sind 10 Millionen Italiener pferdebegeistert - 3,2 Millionen haben im vergangenen Jahr mindestens einmal im Sattel gesessen und dies am liebsten auf italienischen Pferden, wie 22% der auf der Messe Befragten angeben.
Reiterreisen im Vormarsch
Dass der Reitsport einen wirtschaftlicher Faktor darstellt, wird schnell klar, wenn man durch die thematisch geordneten Pavilione- einer ist ganz der Pferdehaltung gewidmet- schlendert. 790 Unternehmen stellen ihre Produkte aus, darunter auch Anbieter von Pferdereisen, einem der Schwerpunkte in diesem Jahr. Reiterreisen erfreuen sich zunehmender Beliebtheit und werden dem Tourismusbereich der Alternativreisen bzw. des Slow Tourism zugeordnet. Im Gegensatz zu Pauschalangeboten bevorzugen reisende Reiter und Reiterinnen individuelle Angebote in kleinen Gruppen bei ihrem Natururlaub. Italien hat als das Reiseland Europas natürlich auch hier wieder ein Ass im Ärmel- einmal mehr ist es die regionale Vielfalt des Landes. Natürlich haben die italienischen Regionen auch die zu ihnen passenden Pferderassen. Der Schwerpunkt auf italienische Rassen und Züchtungen auf der Fieracavalli 2018 erlaubte eine Reise durch Italien und seine Pferderassen.
Die Tour zu Italiens Pferderassen
Der Schwerpunkt auf Pferderassen aus Italien ermöglichte den Messebesuchern gleichzeitig einen guten Überblick, in welcher Region welche Rasse beheimatet ist. Wie beim Essen, prägen Landschaft und Kultur auch Aussehen und Fähigkeit der Pferderassen, stämmig in gebirgigen Landstrichen und elegant, dort wo die Barocken Höfe ihre Glanzzeiten erlebten.
Die Pferde des Nordens
Das Italienische Kaltblut, Caitpr, ist typisch für Verona, Basso Veneto und Ferrara, wo es seit dem 19. Jahrhundert professionell gezüchtet wird, die ursprünglich als Arbeitspferd für die Landwirtschaft gezüchtete Rasse ist heute selten und kommt ausschließlich in diesem Gebiet Italiens vor. Ebenfalls mächtige Kaltblüter sind die aus Südtirol stammenden Noriker, der alpinen Landschaft entsprechend, gilt das Gebirgskaltblutpferd als äußerst trittsicher und ist im gesamten alpinen Raum, also auch in Deutschland und Österreich, beheimatet. Ähnlich wie die nur sehr viel weiter verbreiteten Haflinger, die ursprünglich auch aus den Alpen stammen. Durch die vielfältigen Einsatzmöglichkeiten als Reit- und Kutschpferd, vor dem Schlitten und als Trekkingpferde sind die Haflinger inzwischen in ganz Italien beliebt, 10.521 eingetragene Tiere machen den Haflinger zur beliebtesten Pferderasse Italiens.
Die Tour zu Italiens Pferderassen führt weiter in den nördlichen Appenin, entlang des ligurischen und toskanisch-emilianischen Apenninkammes findet sich das aus Bardi in der Provinz Parma stammende Bardigiano Pferd. Die Rassegeschichte der kleinen kompakten Gebirgspferde geht auf die Zeit der Völkerwanderung zurück, in der Zeit der Weltkriege wurden die Tiere zur Maultierzucht verwendet und mit Haflingern gekreuzt, reinrassige Bardigano Pferde wurden selten. 3300 Bardigiani gibt es inzwischen wieder in Italien, während in Deutschland kaum 200 Tiere gelistet sind. Als Gebirgspferde sind die Bardigiani geeignete Trekkingpferde, wegen ihres gelassenen Temperaments und ihrer Belastbarkeit sind sie auch als Therapiepferde einsetzbar.
Von der Toskana nach Rom
Ursprünglich aus der Region Reggio Emilia stammend, hat sich das Ventasso-Pferd auch in den Marken und der Emilia-Romagna verbreitet. Die vielseitig einsetzbaren Pferde, die Anfang des 20. Jahrhunderts noch als Militärpferde verwendet wurden, galten zwischenzeitlich als vom Aussterben bedroht, Grund hierfür war das zu wenig elegante Erscheinen der als sehr zuverlässig geltenden Pferde. Das Einkreuzen von Vollblütern, um diesen Makel entgegenzukommen, gelang in den 1960ger Jahren. Ein Pferdefreund namens Borzacchi-Bertoldi kreuzte je einen ausgewählten Lippizaner- und einen Maremannohengst ein und verlieh der Rasse damit seither mehr Eleganz.
Und hier kommen wir in die Maremma, den südlichsten Zipfel der Toskana, bei Naturliebhabern beliebt und Heimat der gleichnamigen Maremmano- Zucht. Ursprünglich für den Einsatz als Wagenpferd gezüchtet, erfreuten sich die Maremmanos zunehmend auch als Reitpferde großer Beliebtheit- dank der robusten und doch edlen Erscheinung der großen Braunen sind sie ein beliebtes Symbol des Landlebens auf Abbildungen, die Maremmanos sind bis ins obere Latium verbreitet.
Von hier, der Gegend nördlich von Rom, genauer aus dem Tolfa Gebirge stammt ursprünglich das Tolfetano-Pferd, eine aus den Maremmanos hervorgegangene Rasse, das Seltenheitswert hat. Die Tolfetanso gehören zu den besonders geschützten Rassen, Ende 2008 waren knapp über 1000 Exemplare gelistet, umso schöner, dass einige dieser widerstandsfähigen Pferde in Verona zu sehen waren.
Noch heute in freier Wildbahn lebend und seit der Zeit der Etrusker bekannt ist das Esperia Pony, das trotz des Namens ein echtes Pferd ist auch aus der Region Lazio stammt. Wie das Tolfetano Pferd gehört auch das Esperia Pony zu den 15 Arten von geringer Verbreitung, die die Italienische Züchtervereinigung nennt.
Auf dem Weg weiter entlang der Halbinsel gelangen wir nach Kampanien, Heimat der Salerner, die als Kavalleriepferde mit guter Springbegabung im Pferdesport sehr geschätzt werden und bis zur Hohen Schule eingesetzt werden. Unter dem Bourbonenkönig Karl III. galten sie als die königlichen Rösser schlechthin. Ebenfalls auf eine königliche Vergangenheit kann der Neapolitaner verweisen, zur Blütezeit dieser eleganten Pferde im Barock gehörte Neapel zur Krone Aragons, Einflüsse der Spanischen Schule lassen sich so erklären.
Apulien, Sizilien und die Esel
Die robustere Version der Neapolitaner sind die aus ihnen hervorgegangenen Murgesen, die barocken Arbeitstiere sind von Kampanien bis hinunter nach Apulien, woher sie auch stammen, genau aus der Provinz Bari, verbreitet. Auch der Bestand der Murgesen war lange rückläufig, ihr Einsatz in der staatlichen Forstwirtschaft und den Carabinieri Apuliens verhalfen der Rasse wieder zu mehr Beständigkeit.
Wir verlassen das Festland und setzten über nach Sizilien, wo das Sanfratellano Pferd zum Teil noch immer in halbwilden Herden in der Nähe Messinas zu finden sind. Bei dieser Rasse, die nur auf Sizilien vorkommt, werden interessanterweise zwei Typen unterschieden, leichtere arabische Typen werden um Catania, Siracusa und Raguse gezüchtet, die etwas kompakteren Pferde kommen aus dem im Landesinneren. Die Sanfrantellano Siciliano sind beliebte Reitpferde und werden auch von den Carabiniere Siziliens eingesetzt.
Und immer wieder auf der bis hierhin virtuell zurück gelegten Achse Sizilien-Verona gibt es Vollblutpferde, die wie der Orientalische Sizilianer, importiert aus Syrien von den Grimaldi-Prinzen, durch Importe und Kreuzungen nach Italien kamen.
Die Reise zu Italiens Pferderassen endet jedoch nicht mit den Pferden, auf der Fieracavalli gab es auch berühmte Eselrassen zu bewundern. Auch hier sind einzelne Rassen für bestimmte Regionen charakteristisch. Aus Apulien stammt der am Widerrist höchste italienische Esel, der Martina Franca. Sardinien ist Heimat des gleichnamigen Sardischen Esels, grau und robust, der auch im Latium und Umbrien verbreitet ist. Auf der südlichen Inselseite kommt der weitaus seltenere Weiße Esel vor. Ob der sizilianische Pantelleria Esel oder der Ragusano-Esel, wegen der guten Verdaulichkeit von Eselmilch und der steigenden Nachfrage von Eselmilchprodukten hat sich die Zahl der Tiere von 2007 bis 2017 von 34.557 auf 72.455 erhöht.
Ob Gebirgspony, Dressurschönheit, Arbeitspferd oder Esel- auch bei der Pferde- und Reitkultur zeigt sich Italien gewohnt vielfältig. Eine Reise zur Fieracavalli nach Verona sei nicht nur Pferdefreunden empfohlen, 2019 findet die Messe vom 7. – 10 November statt. Oder man nutzt die Angebote vom Pferderücken aus Italien zu erobern, ein Reiturlaub in Italien ist eine schönen Möglichkeiten das Land zu erkunden und seine Natur und Kultur zu entdecken, und gut zu Essen, es ist doch Italien.