Es wundert nicht, dass sich Apuliens Karnevalshochburg, das beschauliche Putignano, rühmt Europas ältesten Karneval zu feiern. Der Legende nach beginnt die Karnevalstradition Putignanos in der Nacht des 26. Dezember 1394. In dieser Nacht brachten die damals regierenden Rittern des Malteserordens die Reliquien des Hl. Stephans aus dem benachbarten Monopoli nach Putignano, um sie zu vor den herannahenden Sarazenen in Sicherheit zu bringen. Um das Unterfangen zu tarnen, legten die Bauern von Puntignano ihre Arbeit nieder, und feierten eine große religiöse Prozession, die in anschließende Feierlichkeiten überging. Im Zuge dieses Festes soll die für den Putignano Carnival typische Tradition der „Propaggini“, Dialekt-Dichter, die zur Unterhaltung Verse und Satire im Dialekt vortragen, entstanden sein. Die Propaggini sind noch heute Herz der lokalen Karnevalstradition und eröffnen traditionell den Carnival Puntignano am 26. Dezember mit einer Prozession.
Nachdem der Karneval in Puntignano bereits im Dezember beginnt, lässt sich festhalten, dass die Karnevalsperiode in Apulien die längste ganz Italiens ist- andernorts beginnt der Karneval mit dem Tag des Hl. Antonius am 17. Januar.
Apulien feiert also am längsten- manche sagen auch am meisten. Über einen Monat lang finden in jedem Ort und auf beinahe jedem Platz Umzüge, Kinderfeste und Maskeraden statt, dazu wird festlich gespeist und getrunken, denn am Ende des Karnevals beginnt die Fastenzeit.
Neben Puntignano gehören die Festlichkeiten von Massafra und Gallipoli zu den Top-Karnevalsspots in Apulien. Doch wie gesagt, zwischen dem 26. Dezember und dem 5. März ist Karneval, und es herrscht Feststimmung in ganz Apulien, und das von Puntignano nach Massafra, Gallipoli, Manfredonia und Poggio Imperiale.
Der längste und älteste Karneval: Die Propaggini von Putignano
Der Karneval von Putignano, einer kleinen Gemeinde 50 km südöstlich von Bari, das sich in der Murgia, zwischen den Trulli und den Karsthöhlen erhebt, kann unbestritten als einer der ältesten überhaupt gelten. Die Ursprünge dieses Karnevals liegen im Jahr 1394, was ihn zumindest zu einem der ältesten Europas macht.
Die Geschichte der Rettung der Reliquien des Hl. Stephan, die in der Nacht des 26. Dezembers von Rittern des Malteserordens von der Küste aus Monopoli ins Landesinnere nach Puntignano gebracht wurden, um sie vor den heran nahenden Sarazenen in Sicherheit zu bringen, bildet die Basis der Karnevalstradition in Putignano. Seit 625 Jahren eröffnet eine Prozession in die Kirche am 26. Dezember die Karnevalsfeierlichkeiten. In der Kirche bittet die Bevölkerung vorab um die Vergebung der in der gleich beginnenden Karnevalszeit begangenen Sünden. Entsprechend der Legende sind die Teilnehmer als Bauern verkleidet und tragen Ackergeräte mit sich. Schließlich legten die Bauern einst ihre Arbeitsgeräte nieder und verließen ihre Weinberge, auf denen der herrliche Wein der Gegend angebaut wird, um mit einer Prozession in die Kirche die Aktion der Malteser zu Tarnen.
Beim sogenannten Propaggini-Fest, das im Anschluss an den Kirchenbesuch genau wie beim ersten Karneval seinen Lauf nimmt steht natürlich die Tradition der Propaggini im Mittelpunkt. Satirische Verse im lokalen Dialekt, die von wichtigen wichtige Ereignisse berichten oder Personen verspotten, werden von den Propaggini zum Besten gegeben.
Spott über die politischen Zustände oder Personen wird beim Carnival Puntignano feierlich zelebriert. So gehört es zum Rhythmus des Karnevals, dass jeden Donnerstag eine andere Personengruppe verspottet wird. Die ersten, über die man sich lustig macht, sind die Monsignori, sodann sind in weiterer Folge Priester, Nonnen, Witwer, Junggesellen, verheiratete Frauen und gehörnte Ehemänner an der Reihe.
Die beliebten Umzüge mit Motivwägen bei denen jede Menge Pappmasché zum Einsatz kommt, und an denen Handwerker monatelang basteln, gibt es wie auch an anderen Orten seit den 1950ger Jahren. Ursprünglich sind bei den Umzügen und Paraden Holzwägen und Lumpen eingesetzt worden. Möglicherweise hat die Zeit des Faschismus die Begeisterung für Paraden gefördert. Die großen Umzüge der allegorischen Wagen, begleitet von Maskierten und Tänzern, entstanden jedenfalls alle in der unmittelbaren Nachkriegszeit und gehören auch in Puntignano zu den Highlights des dichtgepackten Programmes, das heutzutage auch einen „Vespakarneval“ und einen „Tierkarneval“ kennt.
Die Hauptfigur des Carnival Puntignano ist der Narr „Farinella“, in buntem Gewand mit Schellenkappe, der immer wieder auftaucht, bis der Karneval am Faschingsdienstag, in diesem Jahr dem 5. März, feierlich zu Grabe getragen wird und die Fastenzeit beginnt. Oder man reist weiter gen Süden auf die andere Seite des Stiefelabsatzes ins pittoreske nach Massafra, ebenfalls für seinen Karneval bekannt.
Karneval in Massafra
Massafra liegt inmitten der Terrassen der Murgia, einer Kalkhochebene in der Mitte Apuliens, an den Rändern einer Schlucht, der „Gravina di San Marco“, Alt- und Neustadt sind mit zwei Brücken verbunden. Die Stadt erhebt sich mit ihrer Burg über das karstige Land aus Kalkstein mit seinen Schluchten und Grotten, weich genug, um darin zu bauen. Massafra ist auch berühmt für die 50 Wohnhöhlen die im Stadtgebiet zu finden sind und die mit Fresken verzierten Grottenkirchen Madonna della Scala. Auch in Massafra basieren die Karnevalsbräuche auf einer Jahrhundertalten Tradition von Ritualen, die am 17. Januar beginnen, auch hier kennt der Karneval die Donnerstage, an denen Personengruppen verspottet und gefeiert werden und viele weitere Rituale, die noch heute Bestandteil der Feierlichkeiten sind.
In Massafra ist auch der Ursprung des modernen Karnevals mit dem Umzug der allegorischen Wagen eine Geschichte, nein vielmehr ein Scherz, den sich zwei junge Männer kurz vor Beginn der Fastenzeit im Jahre 1951 erlaubten. Während die Karnevalsfeierlichkeiten auf ihrem Höhepunkt zuliefen, plakatierten die beiden Ankündigungen für einen Stierkampf, der am letzten Karnevalssonntag auf dem Hauptplatz der Stadt ausgetragen werden sollte. Als sich die besorgte Menge erwartungsvoll zur angekündigten Uhrzeit einfand, präsentierte sich ihr eine bizarre Prozession von einem Pappmaché-Stier, einem Matador und Gefolge.
1953 organisierte die Gemeinde Massafra schließlich die erste Ausgabe des Massafrese Carnival mit der traditionellen Wagenparade, Stiere, Tierärzte und Matadore sind fixer Bestandteil der Kostümierungen. In der Karnevalszeit wird viel gefeiert und gegessen, Kost- und Weinproben der lokalen Küche stärken für die Teilnahme an Festen und Umzügen. Am 2. und 5. März 2019 stehen die Paraden der allegorischen Wagen auf dem Programm. Ein solcher findet seit den 1950ger Jahren auch im bezaubernden Gallipoli statt, ganz an der unteren Absatzspitze des Stiefels liegt die auf die Griechen zurückgehende Stadt (Gallipoli bedeutet auf griechisch soviel wie „schöne Stadt“) auf einer Felseninsel im Golf von Tarent.
Gallipoli, Wurst und Fleischbällchen
Beim Karneval in Gallipoli wird ein Soldat der „Tidoru“, gefeiert, der wegen des Karnevals in seine Heimatstadt zurückkehrte, um sich dann am Fastnachtsdienstag an Wurst und Fleischbällchen zu überfressen und zu sterben. Der Sarg des Tidoru mit einem Fleischbällchen im Mund wird seither, so will es die Legende, zum Ende der Karnevalszeit gemeinsam mit dem Karneval Jahr für Jahr beerdigt.
Wie viel Orte Italiens hat auch der Karneval von Gallipoli eine Tradition, die bis ins Mittelalter zurückreicht und die beim traditionellen Karneval heidnische und vorchristliche Ritualen mit religiösen verbindet und sich heute, ergänzt um die Motivwagentradition des vergangenen Jahrhunderts bunter und vielseitiger präsentiert, denn je zuvor.
Zum Auftakt des Gallipoli Karnevals, der auch hier am 17. Januar beginnt, wird bei einem Ritual, dar "Focareddhe", große Stapel aus Blättern und Olivenzweigen auf öffentlichen Plätzen verbrannt. Das heidnische Ritual wird wohlmöglich seit Jahrhunderten bereits dem christlichen Schutzpatron Sant'Antonio Abate gewidmet. Und auch im Umfeld der Legende des Tidoru, des heimgekehrten Soldatens, werden heidnisches Brauchtum mit christlichen Riten kombiniert. Der an Fleischbällchen erstickte Soldat lässt nämlich eine Mutter zurück, die „Caremma“, die erst so für seine Rückkehr gebetet hat, dass sie nach seinem Tode in tiefe Trauer fällt. Ein Ritual in der Osterzeit bezieht sich auf die Geschichte aus dem Karneval, gedenkt der Caremma und verspricht gleichzeitig die Wiedergeburt.
In der Fastenzeit werden Frauenfiguren in Trauerkleidung, Caremmas, in den Fenstern gemeinsam mit einer Orange, in der sieben Federn stecken, aufgehängt. An jedem Sonntag der Fastenzeit wird eine Feder herausgezogen, am Ostersonntag dann wird die Orange mit Schwarzpulver und einer Explosion verbrannt- der Wiedergeburt nach einer Zeit des Leidens steht nichts mehr im Wege.
Karneval in Gallipoli ist mit Sicherheit ein ganz besonderes Ereignis, wer das Glück hat das Städtchen, dessen Alt- und Neustadt mit einer Brücke verbunden ist, im Februar zu besuchen, wird sich bestimmt von der herrschenden Feststimmung mitreißen lassen. Ähnliches wird übrigens auch von den Karnevalsfeierlichkeiten von Manfredonia und Poggio Imperiale in der Provinz Foggia gesagt.
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