SYRAKUS/ROM. Während die italienische Regierung weiter am Landungsverbot des Rettungsschiffes Seawatch 3, das seit 9 Tagen mit 47 Migranten an Bord, darunter 13 Minderjährige, vor der sizilianischen Stadt Syrakus ankert, festhält, wird der Protest aus der Zivilbevölkerung gegen das Vorgehen der Regierung immer lauter. Trotz Verbotes gingen am 27. Januar 2019 eine Delegation aus Politikern, Ärzten und Aktivisten an Bord des Schiffes und berichten gegenüber Medien von der schlechten Verfassung der dort feststeckenden Migranten. Ärzte bestätigen, dass es sich bei einigen von ihnen zweifelsfrei um Folteropfer handelt. 600 Politiker, Intellektuelle und Künstler, darunter Oscar-Preisträger Roberto Begnini und Schriftsteller Andra Camillerie, haben eine Petition unterschrieben und für heute, den 28. Januar 2019, eine Protestaktion vor der Abgeordnetenkammer in Rom angekündigt.
Im Januar sind erneut 100 Menschen im Mittelmeer ertrunken, 47 konnten vom Rettungsschiff Seawatch 3, der deutschen NGO Seawatch, gerettet werden. Das Schiff liegt nach über einer Woche noch immer mit 47 Migranten an Bord vor der Küste der sizilianischen Stadt Syrakus. Die Italienische Regierung hat die Landung verboten, auch darf niemand an Bord des Schiffen gehen. Trotz des Besuchsverbotes durch den italienischen Innenminister Matteo Salvini, der am Landungsverbot des Schiffes festhält und auf Facebook weiter poltert, hat gestern eine Gruppe aus Politikern, Anwälten, Aktivisten und Ärzten mit dem Speed-Boot die Bewachung der Seawatch 3 umfahren, um sich an Bord des Schiffes einen Eindruck der Lage zu verschaffen, unter ihnen auch der Bürgermeister der Stadt Syrakus, Francesco Italia.
Laut Angaben des Psychiaters Gaetano Sgarlatas, der mit der Delegation an Bord ging, sei die Lage der Flüchtlinge an Bord schwierig, bei einigen von ihnen, auch Jugendlichen, handelt es sich zweifelsfrei um Folteropfer, die lybischen Internierungslagern entkommen seien. Dazu bekräftigt er die körperliche Erschöpfung und die psychologisch schwierige Situation der seit über 10 Tagen auf offener See gestrandeten Gruppe. "Ich habe Gespräche mit zehn Personen geführt, darunter drei Minderjährige. Sie wurden in Libyen gefoltert, eine Person hat ein Auge verloren, andere haben Wunden und deformierte Hände wegen Schlägen, die sie erlitten haben", erklärt Sgarlata gegenüber Journalisten.
Am Vorgehen um die Flüchtlinge auf der Seawatch 3 spaltet sich das Land, auch innerhalb der Berlusconi Partei Forza- Italia, die aktuell in der Opposition ist, herrschte kurzfristig Uneinigkeit. Unter den 3 Regierungsmitgliedern, die trotz Verbot an Bord des Schiffes gegangen sind, befand sich auch die ehemalige Frauenministerin Stefania Prestigiacomo, ohne zuvor mit ihrer Partei Rücksprache gehalten zu haben. Inzwischen hat sich auch Ex- Ministerpräsident Berlusconi für die Landung des Rettungsschiffes ausgesprochen.
Während sich Oppositionspolitiker, Intellektuelle, Vertreter der Kirche und die Zivilgesellschaft immer lauter für die Aufnahme der Migranten an Bord einsetzen- gestern fanden unter anderem Proteste für offene Häfen und die Aufnahme von Flüchtlingen in Genua statt, an der sich laut Angaben der Organisatoren über 10.000 Menschen beteiligten- bleibt die Regierung stur.
Der italienische Vizepräsident Luigi Di Maio will die Seawatch 3 beschlagnahmen und argumentierte die Niederlande müssten die Flüchtlinge aufnehmen, da die Seawatch 3 unter niederländischer Flagge unterwegs sei.
Anders als die Regierung in Rom sind die Vertreter der Exekutiven vor Ort durchaus bereit die Flüchtlinge aufzunehmen. Der Bürgermeister von Syrakus hatte bereits vergangene Woche erklärt, dass seine Stadt die Flüchtlinge willkommen heiße, auch die Bischöfe erklärten ihre Bereitschaft. Dass auch die Bevölkerung Syrakus hinter Bürgermeister Italia steht, lässt sich bei einem Besuch der Stadt erkennen: Transparente mit der Aufforderung: „lasciala scendere a terra” – “Lasst sie an Land” wehen aus den Fenstern der Häuser der sizilianischen Stadt.
Es bleibt zu befürchten, dass auf dem Rücken der Geflohenen ganz andere Kämpfe ausgetragen werden. In Italien sind bald Regionalwahlen, die EU- Wahl steht ebenfalls vor der Tür. Die Vertreter der italienischen Regierung hatten immer wieder Unterstützung von der EU gefordert und argumentieren ihre harte Linie auch damit, diese nicht zu bekommen. Sowohl Di Maio, Parteivorsitzender der rechtspopulistische Fünf-Sterne-Bewegung, als auch Lega-Boss Salvini, hatten in der vergangenen Woche gezielt gegen Frankreich und dessen Präsident Macron gewettert und für den Flüchtlingsstrom aus Afrika verantwortlich gemacht.