Bagnacavallo/ EMILIA-ROMAGNA. Im kleinen Städtchen Bagnacavallo, in der Provinz Ravenna, präsentiert das Museo Civico delle Cappuccine, das Stadtmuseum der Kapuziner von Bagnacavallo, eine sehr ambitionierte Ausstellungslinie zu den wichtigsten internationalen Meistern, nicht der Malerei, sondern der Gravur. Nach Francisco Goya und Max Klinger wird die Serie mit Albrecht Dürer (1471-1528) und der Ausstellung „Il privilegio dell'inquietudine“ (dt. „Das Privileg der Unruhe“), die am 21. September 2019 eröffnet wurde und bis 19. Januar 2020 zu sehen ist, fortgesetzt.
In der Ausstellung „Il privilegio dell'inquietudine“ , organisiert von der Gemeinde Bagnacavallo und kuratiert von Diego Galizzi und Patrizia Foglia sind mehr als als 120 grafischen Arbeiten des Nürnberger Meisters, aus angesehenen italienischen öffentlichen und privaten Sammlungen zu sehen. Dürer ist der "edle Vater" des grafischen Denkens, der es geschafft hat, das Zeichnen und Gravieren zu einem künstlerischen Ausdruck zu erheben, der nicht länger eine Magd der Malerei ist, sondern völlig frei und autonom. Das hat auch Max Klinger erkannt: «Eine Grafik von Dürer verweist weder auf ein nachgebildetes Gemälde, noch übersetzt sie Farbempfindungen in Formen, die der angewandten Technik fremd sind. Es ist an sich vollständig und endgültig, nur dem beraubt, was die ewig unerreichbare Idee den Möglichkeiten jedes Künstlers verweigert. »
Das Ausstellungsprojekt ist eine Einladung, die verschiedenen Seelen Dürers sowohl als Mann als auch als Künstler kennenzulernen. Seine Persönlichkeit, sein Geist und natürlich seine Kunst sind in ihrer Einheit nicht leicht zu fassen. Kritiker nennen ihn einen Humanisten, einen Gothiker, Handwerker, Theoretiker: In Wahrheit war er alles zusammen, in sich den ewigen Widerspruch, die Unruhe, die zur Arbeit antreibt und den Künstler zu einem großen Künstler macht.
In einem von gotischem und mittelalterlichem Geist geprägten Deutschland beginnt das künstlerische Abenteuer von Albrecht Dürer, einem unruhigen Genie, einem Talent der nordischen Kunst, das von der italienischen Renaissancekunst fatal angezogen und ungewöhnlich geneigt ist, theoretische und wissenschaftliche Forschungen anzustellen. Ohne den Einfluss des Intellektuellen und Freundes Willibald Pirckheimer hätte dieser bescheidene Sohn eines Goldschmiede-Handwerkers seine künstlerischen Interessen wie viele andere seiner Künstlerkollegen nach Norden, nach Flandern ausgerichtet. Stattdessen orientierte Pirckheimer ihn an der kulturellen Dimension der italienischen Renaissance und öffnete dem Künstler die Möglichkeit nach ihm fremden Erkenntnissen zu suchen, die Geheimnisse der Repräsentation von Raum und Schönheit zu stehlen. Dies war im Wesentlichen aus einem Grund möglich: Dürer war wie Leonardo ein Universalforscher, der ständig bestrebt war, neue Dinge hervorzubringen. Er hatte, wie Carl Gustav Carus sagte, eine unaufhörliche Sehnsucht nach unerreichbarer Perfektion und ein akutes Bewusstsein für unlösbare Probleme ». Für Dürer war die Kunst des Gravierens das ideale Mittel, um eine neue, heilige oder profane Ikonographie zu vermitteln, eine sehr moderne Art des Dialogs mit der Zeit, mit der Zeitgenossenschaft jener Renaissance, die vom Abenteuer des Wissens geprägt war.