500 Asylsuchende, darunter 200 Kinder kamen seit 2017 legal nach Italien
Mailand. Angesichts der sich seit 2015 zuspitzenden Flüchtlingskrise und dem Sterben auf dem Mittelmeer schloss die Gemeinschaft Sant'Egidio, angeschlossen haben sich die Union der evangelischen Kirchen und der Waldenser Tafel, mit der italienischen Bischofskonferenz und dem Innen- und Außenministerium Italiens 2017 ein Abkommen, das die Basis für das Pilot Projekt der „humanitären Korridore“ bildet. Die italienische Regierung stellt hierfür sogenannte humanitäre Visa zur Verfügung; die Auswahl, Einreise, medizinische Versorgung, Unterbringung und Integration der schutzbedürftigen Asylsuchenden wird von den kirchlichen Gemeinschaften im In- und Ausland unter Beteiligung von Gemeinden, Vereinen und Freiwilligen organisiert. Caritas Italia hat vergangenen Freitag einen Zwischenbericht zum Projekt, das noch bis Januar 2020 läuft, präsentiert. Daraus geht hervor, dass 500 Antragsteller, darunter 200 Kinder, die in den Flüchtlingslagern von Äthiopien, Jordanien und der Türkei lebten und auf internationalen Schutz angewiesen waren, in den vergangenen zwei Jahren ein Korridor nach Italien geöffnet werden konnte. Dem Bericht zu Folge sind die legal eingereisten Asylsuchenden, dank der vielfachen Unterstützung von engagierten Organisationen und Freiwilligen, zum Großteil gut integriert; alle Minderjährigen konnten eingeschult werden.
Der am Freitag, den 5. April 2019, im Rahmen einer von der Caritas Italiana und der Caritas Ambrosiana geförderten Konferenz der Katholischen Universität in Mailand präsentierte erste Bericht zum Pilotprojekt der humanitären Korridore in Italien trägt den Titel „Oltre il mare“ (dt. „Jenseits des Meeres“), der eben darauf anspielt, dass die humanitären Korridore geschaffen wurden, um die Menschen vor der gefährlichen Überfahrt über das Mittelmeer zu bewahren. Dies ist, zumindest 500 Mal gelungen, so schreiben die Autoren deutlich: „In zwei Jahren wurden 500 Asylsuchende, darunter 200 Kinder unter 10 Jahren, von Menschenhändlern gerettet und bei der Eingliederung von Gemeinden durch berufliche Ausbildung und Arbeit unterstützt“.
Das Programm „humanitäre Korridore“, das auf der Grundlage einer im Jahr 2017 unterzeichneten Absichtserklärung zwischen dem CEI und den Außen- und Innenministerien sowie der Gemeinschaft Sant'Egidio initiiert wurde, hat demnach bisher die Erlaubnis erhalten, 500 Antragsteller auf internationalen Schutz, die von den beteiligten Organisationen vor Ort, also in den Lagern Äthiopiens, Jordaniens und der Türkei, kontaktiert wurden, mit den sogenannten humanitären Visa auszustatten, die eine legale Einreise nach Italien ermöglichen. Der humanitäre Korridor endet jedoch nicht mit der Ankunft im sicheren Italien, denn hier beginnt die Integration der Flüchtlinge mit Unterstützung der Gemeinden vor Ort.
Aus dem Bericht geht hervor, dass zu den am stärksten gefährdeten Personen insgesamt 107 Familien gehörten, darunter 200 Kinder, von denen 58 Prozent unter 10 Jahren alt sind. Diese Familien wurden in Italien von 47 Diözesancaritas aus 17 Regionen gastfreundlich aufgenommen, in Strukturen, meistens in Wohnungen von Kirchengemeinden, religiösen Instituten oder Privatbürgern, verteilt über 87 verschiedene Gemeinden.
Bei der Unterbringung und Integration wurde ein bereits im Diözesen Netzwerk getestetes Modell angewendet. Das Projekt “Protetto. Rifugiato a casa mia” ("Geschützt. Flüchtling bei mir zu Hause ") wurde nach dem Appell des Papstes an die Nächstenliebe und seinen Aufruf an die Kirchengemeinschaft Flüchtlinge aufzunehmen im Jahr 2015 ins Leben gerufen. Ziel dabei war es Diözesen, Familien, einzelne Bürger und lokale Gemeinschaften dabei einzubeziehen, Flüchtlinge bei ihrer Ankunft in Italien zu unterstützen. Essen und Unterkunft zur Verfügung zu stellen; Sprachkurse und die Einschulung von Minderjährigen zu organisieren; medizinische- und psychologische Versorgung bereitzustellen; und die Neuankömmlinge bei Rechts- und Amtshilfe, der Vermittlung von Arbeitsplätzen oder Praktika zu unterstützen. Bei all diesen wichtigen Schritten auf dem Weg eine neue Existenz aufzubauen, stehen den Geflüchteten Helfer vor Ort zur Seite. Und, so zeigt die Untersuchung der Caritas, Integration funktioniert am besten, wenn lokale, nationale und supranationale Stellen partnerschaftlich zusammenarbeiten.
Denn zwei Jahre nach den ersten Einreisen haben 97 Prozent der Asylbewerber, die über den humanitären Korridor ankamen, den Flüchtlingsstatus, 3 Prozent haben subsidiären Schutz erhalten. Alle Kinder im Schulalter konnten eingeschult werden; 30 Prozent der Begünstigten sind in beruflichen Fortbildungskurse aufgenommen und 24 Begünstigte haben bereits einen Arbeitsplatz gefunden.
Damit diese Erfolge möglich wurden, haben 58 Lehrerfamilien, 574 Freiwillige und 101 Betreibe r- von Krankenhäusern über Kindergärten bis hin zu Restaurants- ihren Beitrag geleistet, ein soziales Netzwerk aufzubauen, um die individuelle und familiäre Einbeziehung der Neuankömmlinge in Italien zu beschleunigen und zu erleichtern. Lokale Institutionen und Schulen wurden durch das gemeinschaftliche Handeln für die Lebensbedingungen und Lebensumstände aus denen die Flüchtlinge selbst kommen sensibilisiert, die Willkommenskultur gefördert.
Neben den konkreten Zahlen hat die Studie, die auch die unterschiedlichen Aufnahmeerfahrungen durch die Beteiligung der Gemeinden in anderen EU - Ländern und im Ausland (z. B. in Kanada) hinsichtlich ihres Erfolges prüft, um Empfehlungen für ein europäisches Vorgehen herauszuarbeiten, ein ganz wichtiges Ergebnis.
Um das derzeitig komplexe Migrationsphänomen in Angriff zu nehmen und den Schleppern und Menschenhändlern einen Strich durch die Rechnung zu machen, sei es notwendig, das Problem in den Herkunfts- oder Transitländern zu veröffentlichen und wirklich glaubwürdige Alternativen zu illegalen Reisen, wie sie der humanitäre Korridor darstellt, zu garantieren. Allerdings ist eine solche Reise nicht mit der Ankunft im sicheren EU-Staat zu Ende.
Denn hier beginnt das neue Leben, das, so zeigt die Untersuchung, durch die Aufnahme und Einbeziehung in die lokalen Gemeinschaften erleichtert wird. Die Erfahrung mit den humanitären Korridoren zeigt einmal mehr, dass die Zusammenarbeit und Partnerschaft auf verschiedenen Ebenen sinnvoll Integration fördern kann.